Ute Bernhardt
Maschinen-Soldaten
Der Mensch auf dem modernen Schlachtfeld
Zu den Gefahren der Gentechnologie zählt, daß
mit ihrer Hilfe Menschen nach Wunsch, Menschen nach Maß
geschaffen werden. Der Gentechnologie werden die Grenzen jedoch durch
die Natur gesetzt: Manipuliert werden können nur die natürlichen
Erbinformationen. Was die Gentechnologie nicht leisten kann,
erforscht das Militär - die Kopplung von Mensch und Maschine,
Biologie und Elektronik durch bioelektronische, bionische
Systeme.
Bionische Systeme sind elektronische und andere
technische Supplemente und Implantate für Menschen zur
Steigerung von biologischen Funktionen
wie der Muskelkraft und der Ausdauer, von Sinneswahrnehmungen,
vor allem des Sehens, Hörens, Fühlens und Riechens und von
kognitiven Fähigkeiten
generell.
Die militärischen Konzepte des modernen
Schlachtfeldes, beschrieben in der AirLand-Battle Doktrin ,
gehen von einem volltechnisierten, mit hoher Geschwindigkeit
geführten Krieg und dem Einsatz von ABC-Waffen aus, dem die
Soldaten der Zukunft ausgesetzt sind. Die Antwort der Militärs
auf diese Anforderungen ist die Aufrüstung des einzelnen
Soldaten zum bionischen System.
In diesem Beitrag sollen einige Forschungsvorhaben
vorgestellt werden, die zum größten Teil in den USA, aber
auch in der Bundesrepublik durchgeführt werden. Gezeigt wird,
daß menschliche Fähigkeiten auch auf dem modernen
Schlachtfeld nicht wegzudenken sind, weil keine Technik existiert,
die sie ersetzen könnten. Der Mensch - zum optimierten
Teilsystem der Militärmaschinerie geworden - wird jedoch kaum
menschliches mehr an sich haben.
Mensch-Maschine-Systeme
Zentral für die bionische
Forschung ist, Maschinen
nicht als Werkzeuge des Menschen zu sehen, sondern Menschen als
integralen Bestandteil komplexer technischer Systeme, wie dies in der
Mensch-Maschine-System Metapher zusammengefaßt ist. Durch die
Erfahrung mit der Bedienung von U-Booten und Flugzeugen im Zweiten
Weltkrieg wurde 1951 in den USA das Human Resources Research Office
(HUMRO) gegründet:
"HUMROs Einfluß war tief und fundamental. Es ist ein
großer Katalysator zur Veränderung der traditionellen
Ausbildungs- und Aufgabenzuweisungsprozeduren aus den Zeiten des
Zweiten Weltkrieges hin zu solchen gewesen, die `system-orientiert'
sind, d.h. ein Training, das auf das System abgestimmt ist, dessen
Teil der Mensch sein soll, sei es ein `Gewehr-System', ein Helikopter
oder eine Raketenbatterie. Der Ansatz von HUMRO - und danach der der
Armee - ist, Menschen als integrale Teile eines Waffensystems mit
einer spezifischen Mission zu sehen".
Um von einem "Gewehr-System" zu einer
Mensch-Maschine-Symbiose zu gelangen, ist dann nur noch intensive
Entwicklungsarbeit notwendig.
In der Praxis lassen sich drei verschiedene Ebenen der
Kooperation von Mensch und Maschine unterscheiden. Auf der ersten
Ebene sind dies technische Hilfsmittel,
die dem Menschen gestatten sollen, seine Aufgabe optimal zu erfüllen.
Dies sind sowohl Systeme, die menschliche "Defizite"
ausgleichen, wie etwa die Unfähigkeit des Menschen, Nachts
genauso zu sehen wie tagsüber oder bestimmte Chemikalien zu
riechen, als auch Systeme, deren "Mensch-Maschine-Schnittstelle"
den kognitiven Fähigkeiten des Menschen angepaßt ist. Auf
der zweiten Ebene stehen wissensbasierte
Systeme, die ihren menschlichen Bediener
entweder durch Informationen über menschliches Verhalten oder
durch das Wissen von Experten verschiedener Fachgebiete unterstützen
und leiten. Auf der dritten Ebene stehen Systeme, bei denen Mensch
und Maschine symbiotisch miteinander verbunden
sind und der Mensch der Kontrolle des Systems unterworfen ist. Mensch
und Maschine sind in einen Regelkreislauf integriert.
Maschinen-Body-Building
Die Steigerung von Muskelkraft und Ausdauer gehört
zu den ältesten Bionik-Projekten. Bereits Anfang der 60er Jahre
entwickelte General Electric im Auftrag des US-Office of Naval
Research ein Exoskelett namens "Hardiman". Mit einem den
Soldaten umgebenden beweglichen Stahlskelett sollte ein Mensch große
Lasten heben und über längere Strecken transportieren
können. Wegen technischer Schwierigkeiten kam das Projekt nicht
über einen Prototypen hinaus. Fortschritte in der Robotik
führten zum Wiederaufleben dieser Idee. So verfolgt die US-Army
Pläne für ein Exoskelett, das das Tragen und Transportieren
von Lasten bis zu 180 Kilogramm ermöglicht und dem natürlichen
Bewegungsablauf des Menschen folgt .
Sinneserweiterungen
Die Steigerung der sensorischen Fähigkeiten ist
weit gediehen, dabei kommt den visuellen Fähigkeiten naturgemäß
die größte Bedeutung zu. Militärisch schon im Einsatz
sind Geräte, die die Nachtsicht ermöglichen. Benutzt werden
Restlichtverstärker und Infrarot-Systeme. Bei
Restlichtverstärkern werden die von kleinsten Lichtquellen -
beispielsweise Sternenlicht - abgestrahlten Photonen in
Elektronenkaskaden verstärkt und zu einem elektronischen Bild
aufbereitet. Die Miniaturisierung ist so weit fortgeschritten, daß
Panzerbesatzungen und Hubschrauberpiloten mit leichten
Zwei-Röhren-Systemen in totaler Finsternis räumlich sehen
können. Bei Infrarotsystemen liefern Infrarotkameras ein
elektronisches Abbild aller Wärmequellen, deshalb spricht man
auch von Wärmebildsystemen.
Die weitverbreitete Nachtsichtfähigkeit hat die
Kriegsführung revolutioniert, wie zuletzt der Golfkrieg zeigte:
"Die Verfügbarkeit von Restlichtverstärkern und
Wärmebildsystemen gaben den westlichen Streitkräften eine
Flexibilität in ihren Operationen, die historisch unvergleichbar
ist. Der Sonnenuntergang sorgte nicht länger für eine
Ruhepause - viele offensive Operationen begannen sogar in der Nacht.
Der gestiegene taktische Vorteil von mit Nachtsichtsystemen
ausgerüsteten Truppen über solche ohne diese wurde während
der Operationen im Golf recht deutlich demonstriert. Es kann erwartet
werden, daß diese Lektion von Armeen überall klug erkannt
wird: eine Streitmacht ohne Nachtsichtfähigkeiten wird einfach
zu Zielen" .
Das Anreichern des Sichtfeldes mit zusätzlichen
Informationen ist eine Entwicklung aus der Luftfahrt und soll auch
für die Infanterie nutzbar gemacht werden. Nachdem begonnen
wurde, bei Piloten wichtige Statusinformationen und Zieldaten in das
Helmvisier einzuspiegeln, soll dieser Weg benutzt werden, um eine
Vielzahl von weiteren Informationen zu übermitteln. Ein Computer
mißt die Augenbewegungen und stellt die Blickrichtung fest. Aus
dem mit Helm-basierten Anzeigen, sogenannten "helmet-mounted
displays" angefüllten Helm wird ein "sight
bionics"-System.
Auch für den Infanteristen sind Helmsysteme
geplant, bei denen Ziele in eingespiegelten digitalen Geländekarten
markiert sind. Der Soldat mißt die Entfernung durch einen Blick
auf das entsprechende Datensymbol im Helm und aktiviert das
gewünschte Waffensystem mit einem weiteren Blick. Abgefeuert
wird die Waffe entweder durch herkömmliche Verfahren oder durch
spracherkennende Systeme. Ein solches System, der "Infantryman
2000" wurde 1984 von der britischen Computerfirma Scicon Ltd.
vorgestellt und gilt mittlerweile als Paradebeispiel dieser
Entwicklung
In diesem System sollten Restlicht- und Infrarotsysteme sowie
Lasermessung mit einem hoch entwickelten "helmet-mounted
display"-System integriert werden.
Ein visuelles bionisches System mit Spracherkennung zur
Befehlseingabe, das völlig ohne einen Helm als Hilfsmittel
auskommt, ist das System OASIS, das von der NASA in Auftrag gegebene
Ocular Attention-Sensing Interface System. OASIS ist die Entwicklung
einer universellen Schnittstelle zwischen Mensch und jeder Art von
ferngesteuertem Vehikel und Waffensystem. Die Augenbewegungen eines
Operators werden gemessen, um bis zu sechs Vehikel zugleich zu
steuern .
über das Fernsteuern von Vehikeln hinaus geht das
System GATERS (Ground Air Telerobotic Systems). Nach einem
ferngesteuerten Flugkörper zur Videoüberwachung wird dort
ein ferngesteuertes Landfahrzeug entwickelt, das seinem Operator
durch Stereobild- und -tonübertragung den Eindruck vermittelt,
am Ort des Fahrzeugs zu sein. Der Operator steckt in einem Exoskelett
mit Helm, mit dem die Sensoren des Fahrzeugs gesteuert werden. Für
den Bediener wird dies zu einer außerkörperlichen
Sinneserfahrung .
Auch die Simulation des Tastsinns soll bei GATERS
erforscht werden. Bei der Manipulation mit Robotergreifarmen sollen
die auf den Roboterarm einwirkenden Kraftverhältnisse an den
Bediener rückübermittelt werden.
Den Geruchssinn des Menschen zu verbessern, ist
technisch bisher ungelöst geblieben. Um jedoch den im
AirLand-Battle postulierten ABC-Bedingungen gewachsen zu sein, werden
Detektoren entwickelt und eingesetzt, die Kampfgase, aber auch
biologische Wirkstoffe entdecken und akustisch oder optisch anzeigen
können.
Kognitive Optimierung
Die Optimierung der kognitiven Fähigkeiten ist
bereits in die Entwicklung der meisten der oben genannten Systeme
eingegangen. Ein Beispiel dafür ist die symbolorientierte
Darstellung von Daten in "helmet-mounted displays".
Wissensbasierte Systeme zur Unterstützung und Kontrolle von
Bedienern, die auch auf kognitive Modellierungen von menschlichem
Verhalten beruhen, werden bisher vor allem in der Luftfahrt
angewandt. Der Pilot's Associate, der automatische Kopilot, ist das
zum Prototypen gereifte Ergebnis langjähriger Forschungsarbeiten
der DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) im Rahmen der
Strategic Computing Initiative. "Sight bionics"-Systeme
sollen mit Spracherkennungssystemen gekoppelt werden, um dem Piloten
zum rechten Zeitpunkt die optimale Unterstützung durch seine
Bordcomputer zu geben. Expertensysteme überwachen die
Pilotenleistung und bieten Hilfen an oder übernehmen die
Flugzeugsteuerung:
"Während die von diesem Programm genutzten Technologien
sehr breite militärische Anwendungen haben, konzentriert sich
das Pilot's Associate-Programm ausschließlich auf die
Unterstützung von Piloten von einsitzigen Kampfflugzeugen in der
genauen Ausführung der komplexen Serien von Entscheidungen,
Aktionen und Manövern, die in der Luftkampfumgebung gefordert
werden, ein Grad der Leistung, der bei weitem ihre unassistierte
Arbeitskapazität überschreitet. Der Pilot's Associate geht
durch das Einbetten hochentwickelter Funktionen, die zum
best-passenden Zeitpunkt während einer Mission automatisierte
Pilotenhilfen auswählen, über konventionelle
Automationsansätze hinaus. Dieses Programm hilft die Ausführung
der für die Zukunft erwarteten in ihrer Komplexität
ansteigenden Aufgaben von Piloten dadurch zu routinisieren, daß
hohe Grade von Pilotenleistung und Zuversicht durch die Verhinderung
kognitiver Sättigung erhalten werden sollen" .
Für den Soldaten auf dem Schlachtfeld wird dagegen
eine Verstärkung und direkte Kontrolle seiner Gehirntätigkeit
gewünscht:
"Bioengineering mag das Gehirn des Soldaten durch den Einsatz
von organischen oder anderen Chemikalien oder genetischen
Veränderungen modifizieren, um das Gedächtnis, die
Lernfähigkeit oder Wahrnehmung zu schärfen. Alternativ
können Biochips in das Gehirn implantiert und mit ihm durch
Nervenzellen verbunden werden, die in den Chip wachsen" .
Ja zu Drogen
Drogen gehören von alters her ebenso zum Krieg wie
Waffen. So ist zum Beispiel von den Inkas der Genuß von
Cocablättern, von den Germanen der Metrausch und von den
Flugzeugpiloten des Zweiten Weltkrieges die Einnahme von Amphetaminen
bekannt. Seit dem Zweiten Weltkrieg wird wissenschaftlich an Drogen
für Soldaten geforscht. Zeitweise, so ergab ein
Untersuchungsbericht des US-Kongreß 1975 unter Vorsitz von
Edward Kennedy, wurden in 20 verschiedenen Militärprojekten der
Einsatz von Drogen zur Kontrolle von Streß bei Soldaten
untersucht.
Die erforschten Drogen sollten eingesetzt werden gegen
Müdigkeit, Angst und verschiedene Formen von Streß und für
Entspannung, Furchtlosigkeit, Aggressivität, Gehorsam und
bessere Problemlösungsfähigkeiten. Für das Militär
sind die Forschungen an Drogen notwendig, weil psychisch gesunde
Menschen für die Unmenschlichkeit des Krieges ungeeignet sind.
Psychologische Untersuchungen zeigten, daß nur 2% der Soldaten
schwere Kämpfe über Monate durchhalten können:
"Bei weitem die Mehrzahl dieser 2% erwiesen sich in Tests zum
psychologischen Profil als reine Psychopathen ohne Gewissen und ohne
emotionale Beteiligung am Töten und Sterben um sie herum. Sie
können kalt handeln, mit Berechnung und Aggression, aber ohne
Blutrünstigkeit. Mehr von diesen Soldaten zu produzieren,
scheint das Ziel vieler derzeit laufender Ausbildungsprogramme und
wichtiger militärischer Drogenforschung zu sein"
Diese Art psychopathischer Killer zu produzieren, reicht
für den modernen Krieg nach dem AirLand-Battle-Konzept nicht
mehr aus. Die hochtechnisierte Ausrüstung verlangt komplexeres
Problemlösungsverhalten, die Kriegsführung ist intensiver,
schneller und findet rund um die Uhr statt, der ABC-Einsatz ist in
die Kriegsführung integriert. Die Wirkung der Drogen muß
erweitert und stark verfeinert werden.
Geforscht wird deshalb an allem, was die Zeit
herabsetzt, die ein Mensch für sich benötigt. Drogen sollen
Haarwuchs und Körperfunktionen verlangsamen und die Zähne
für sechs Monate sauber halten. Anti-Insektenmittel sollen
universellen Schutz bieten, Breitband-Medikamente gegen Viren,
Bakterien und Geschlechtskrankheiten sollen Krankheiten verhindern.
Verwundete sollen mit künstlichen Knochen, künstlichem Blut
und aufsprühbarer Haut, Schwerverletzte mit sogenannten WHIMPER-
(Wound Healing Injection Mandating Partial Early Recovery:
Wundheilende Injektion für partielle frühzeitige Genesung)
Injektionen schnell wieder kampfbereit gemacht werden .
Gegen biologische und chemische Waffen werden Gegengifte
kombiniert mit Angsthemmern entwickelt. Beim Einsatz atomarer Waffen
gibt es keine Heilung, doch soll wenigstens die Kampffähigkeit
der Truppe so lange wie möglich erhalten bleiben. Bekannt wurde
in der Bundesrepublik ein medizinisches Forschungsprojekt zur
Entwicklung eines Medikamentes gegen Erbrechen nach starker
Strahlenbelastung .
Drogen alleine gewährleisten jedoch weder die
optimale Dosierung zum richtigen Zeitpunkt, noch die direkte
Kontrolle jedes Soldaten durch die militärischen Befehlshaber.
Erst die Kombination von Computer-Implantaten im Gehirn des Soldaten
mit den geeigneten Drogen gibt dem Militär die Möglichkeit,
einen alten Traum zu verwirklichen: die direkte Kontrolle, das
Fernsteuern jedes einzelnen Soldaten.
Computer im Hirn
Biochips sind schon lange keine Zukunftsmusik mehr.
Bereits Anfang der 70er Jahre gab es Forschungsarbeiten im Stanford
Research Institute, mit denen das US-Militär erfahren wollte, ob
es möglich ist, Gedanken zu lesen und Nachrichten durch Computer
in das Gehirn zu übermitteln. Diese Arbeiten werden heute an der
John Hopkins University fortgeführt
Die Verbindung von Neuronen und Computerchips wird nicht nur in den
USA, sondern auch in der Bundesrepublik erforscht. An der Universität
Ulm werden einzelne Neuronen von Blutegeln auf einen Chip gebracht
und dort gemessen und stimuliert
Mit großem Aufwand werden die menschlichen Gehirnfunktionen und
die neuronalen Schaltvorgänge im "Human Frontier Science
Program" erforscht, das die Teilnehmerländer des
Weltwirtschaftsgipfels ins Leben gerufen haben und an dem sich die EG
beteiligt
Das Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) hat
sich zum Ziel gesetzt, "Erkenntnisse der Hirnforschung
kontinuierlich in die Grundlagenforschung zur Informatik"
einzubringen 16].
Die konkreten Ziele, die das Militär mit Biochips
verfolgt, sind vielfältig. Sie sollen ermöglichen, die
biologischen Funktionen der Soldaten besser zu kontrollieren. Nicht
nur sollen Soldaten mit Biochips "schlafen, wenn befohlen"
17],
auch ihre Streßsituation soll mit Hilfe von Biochips gemessen
und mit Drogen gedämpft werden. Biochips sollen die
Reaktionszeit des Soldaten verkürzen, indem das Auslösen
von Waffen damit gekoppelt wird.
Wenn diese Pläne und Projekte nach Science Fiction
klingen, mag das daran liegen, daß einige Ideen dazu von
Science Fiction-Autoren stammen. Mitte der 80er Jahre versammelte die
US Air Force 175 zivile und militärische Experten zum "Project
Forecast II" in 18 verschiedenen Arbeitsgruppen zu einem
Brainstorming über zukünftige Waffensysteme. Zu einer
Konferenz auf der Wright Patterson Air Force Base unter dem Titel
"Futurist II" wurden auch acht Science Fiction-Autoren und
zehn Zukunftsforscher versammelt .
Zu welchen Ideen und Vorschlägen die Beteiligten
auf diesen Konferenzen gekommen sind, läßt sich am
Beispiel des Science Fiction-Autors William Gibson nachlesen, dessen
Cyberpunk-Trilogie die Forschungsrichtung der virtuellen Realität
und der Mensch-Maschine-Symbiose stark und nachhaltig beeinflußt
hat .
Mit den verschiedenen Hirnzentren neuronal verbundene Biochips
erlauben die Kopplung des Gehirns mit jedem beliebigen Computer durch
eine Steckverbindung hinter dem Ohr. Menschliche Erfahrungen und
Fähigkeiten können von Computern über diese
Schnittstelle direkt ins Gehirn eingespielt werden. Die Vorgänge
im Gehirn werden für den Computer lesbar. Das menschliche Auge
ist ersetzt durch infrarot-fähige miniaturisierte Videokameras.
Für das Militär naheliegende
Einsatzmöglichkeiten lassen sich leicht denken. Das Bedienen von
Waffensystemen, das Fliegen von Flugzeugen, aber auch Fähigkeiten
in einer fremden Sprache ließen sich durch beliebig oft
kopierbare Computerprogramme über den Biochip in das Gehirn
jedes Soldaten einspielen. Ebenso werden alle sensuellen Eindrücke,
alle Gedankenvorgänge jedes Soldaten zu Daten, die beliebig
nutzbar sind.
Die Verbindung des menschlichen Gehirns mit dem Computer
macht den Menschen zu einer peripheren Einheit, zu einem Teil des
Computersystems. Ob computerunterstützt, computerkontrolliert
oder ferngesteuert - der Mensch auf dem modernen Schlachtfeld wird
zur computerisierten Kampfmaschine im globalen Kommando- und
Kontrollnetz des Oberkommandos:
"Stellen sie sich ihr Immunsystem vor, programmiert gegen
Geschlechtskrankheiten, Viren, Bakterien und verschiedene Toxine;
ihren Körper um bionische Teile und Augenzusätze erweitert;
ihr Gehirn verkabelt mit einem mechanischen Gefährten; ihr
Verstand unter Drogen oder psychoprogrammiert gegen Streß,
Angst, Höhe, Tiefe, Hitze, Kälte und Ermüdung; sie
selbst ständig verbunden und überwacht von den
Computersystemen, die sie beobachten und nutzen, in einer sicheren
ABC-Mikro-Umwelt sich bewegend, geschützt durch autonome und
abhängige Waffensysteme und große Ressourcen von
Zerstörungsmacht und Informationsmanipulation nutzend. Sie sind
ein Cyborg Soldat"
Cyborgs, kybernetische Organismen, die sich für
alle Bedürfnisse umprogrammieren und optimal in jedes
Waffensystem einpassen lassen, sind der Wunschtraum jedes Militärs.
Was Drill, Psychotraining und Drogen nicht erreicht haben, rückt
der Biochip in greifbare Nähe: der Hochleistungssoldat mit den
richtigen Gedanken und Fähigkeiten. Das Militär hat
erkannt, daß es der "künstlichen Intelligenz"
(KI) auch in weiterer Zukunft nicht gelingen wird, Systeme zu
entwickeln, die auch nur annähernd an die menschlichen
Fähigkeiten heranreichen. Deshalb ist der Mensch im Krieg
unverzichtbar, sofern es gelingt, seine menschlichen, für das
Militär unbrauchbaren "Schwächen" zu modifizieren
und zuverlässig zu kontrollieren. Todesängste zu beseitigen
schafft in den extremsten Kampfsituationen Raum für komplexe
Gedankengänge, auf die das Militär weder verzichten will
noch kann.
Das Militär hat immer bessere Mittel und Methoden
ersonnen, den Menschen als Rädchen in das Getriebe der
Kriegsmaschinerie zu pressen. Während bisher nur das äußere
Verhalten rigiden Regeln unterworfen werden konnte, steht nun der
Mensch mit all seinem Denken, Fühlen und Handeln dem
militärischen Befehl offen. Was die Forschung für das
Militär erprobt, läßt sich bei Bedarf natürlich
auch auf ganze Völker übertragen. Der Biochip im Gehirn
schafft den idealen Staatsbürger.
Der Cyborg, dessen Gehirn militärischer Kontrolle
unterworfen ist, ist das entmenschlichte Resultat militärischer
Wahnsinnslogik. Der seelenlose Maschinen-Soldat mit programmierbaren
Erinnerungen, Fähigkeiten und Gefühlen stirbt nicht erst
auf dem Schlachtfeld, sondern lange davor.
ISBN 3-924684-30-8
Copyright: Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche
Verantwortung (FIfF) e.V., Bonn, 1991.
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